Gesundes aus dem Garten

Der beste Arzt ist der Gemüsegarten

Häckeln und Jäten steigert das Wohlbefinden von Gesunden und Kranken. Dies erkennen zwar immer mehr Fachleute – in Schweizer Kliniken wird die Gartentherapie jedoch kaum praktiziert.

Es ist Zeit, den Boden vorzubereiten. Auf einem der Beete hat Louis Warthmann bereits reichlich Mist verteilt. «Hier habe ich nun schöne, fette Erde», freut er sich. Zum Anpflanzen ist der Boden noch zu kalt. Doch neben den leeren Beeten leuchtet das Gelb der Osterglocken. «Hier erhole ich mich», sagt der Hobbygärtner in seinem Schrebergarten in Zürich-Wollishofen.

Das ist für Warthmann besonders wichtig: Im April letzten Jahres stellten die Ärzte bei ihm Prostatakrebs fest. Knapp zwei Monate später musste er sich einen Dickdarmtumor entfernen lassen.

Gegen den Prostatakrebs bekommt der 70-Jährige alle drei Monate eine Spritze vom Arzt. Die machen den Pensionär müde. «Ich hab dann für nichts mehr Mumm», berichtet er. Doch: «Ist mir unwohl, gehe ich in den Garten. Dort tanke ich Energie und ich fühle mich körperlich wieder gut.» Im Garten könne er Ängste und Sorgen abstreifen. «In dieser schweren Zeit hilft mir der Garten auch moralisch auf die Beine», sagt Warthmann.

Was Louis Warthmann und viele andere Menschen spüren, steht auch für die Fachwelt fest: Gartenarbeit steigert das körperliche und seelische Wohlbefinden. Davon kann man nicht nur nach schweren Krankheiten und Operationen profitieren, sondern vor allem auch bei seelischen Störungen.

In Ländern wie Deutschland, England und den USA ist Gartentherapie fester Bestandteil der Psychiatrie. Auch Konrad Neuberger, Psychotherapeut und Gärtner aus Düsseldorf, setzt Gartenarbeit gezielt bei psychisch kranken Menschen ein. Patienten mit gestörtem Selbstbewusstsein, Depressionen oder Suchtproblemen könnten im Garten heilsame Erfahrungen machen, so Neuberger. Diese Arbeit in der Natur beruhige und führe die Patienten zu sich selbst. Neuberger nennt ein Beispiel: «Während ich Unkraut jäte, sortiere ich aus, was ich will und was nicht.» Dies stärke die Persönlichkeit und schaffe gute Bedingungen, um wieder gesund zu werden.

In der Schweiz gibt es erst wenige Therapeuten und Institutionen, die sich mit der Gartenarbeit befassen. Ein Beispiel ist das Jugendheim Erlenhof in Reinach BL. Der Erlenhof ist ein sozialpädagogisch geführtes Heim für männliche Jugendliche mit persönlichen, sozialen oder beruflichen Problemen.

Hartwick Holzapfel, Leiter der Gärtnerei des Heims, befasst sich seit drei Jahren mit der Gartentherapie. Er stellt fest, dass junge Menschen mit psychischen Problemen und schwachem Selbstvertrauen stark reagieren. «Jugendliche, die das Gefühl haben, alles, was sie tun, sei sinnlos, können durch die Gartenarbeit sichtbar etwas verändern», sagt Holzapfel. Sein Ziel: die Jugendlichen in ihrer Entwicklung weiterbringen. Gebe er zum Beispiel einem Teenager den Auftrag, ein Beet umzugraben und es für die Bepflanzung vorzubereiten, entstehe aus dem anfänglichen Chaos Ordnung. Holzapfel: «Die Jugendlichen sehen sofort ein Resultat. Das fördert ihr Selbstvertrauen.» Dazu kommen Gespräche über die Ergebnisse der geleisteten Arbeit.

Aber auch Gartenarbeiten, bei denen Geduld nötig ist, sind wichtig. Holzapfel: «Beim Säen zeigt sich erst nach einigen Tagen, ob die Saat gut verteilt oder alles auf einen Haufen geworfen wurde.» Es sei für die jungen Leute oft verblüffend zu realisieren, welche Konsequenzen ihr Handeln längerfristig habe.

Ein weiterer Aspekt der Gartenarbeit: «Die Pflanzen fordern auf, Verantwortung zu übernehmen. Nimmt der Gärtner sie nicht wahr, stirbt die Pflanze.» Diese Erkenntnis prägt die Jugendlichen für ihr weiteres Leben.

Auch Kurt Zurbrügg, Leiter der Gärtnerei der Psychiatrischen Uniklinik in Zürich, beobachtet seit 25 Jahren, wie Patienten bei der Gartenarbeit aufblühen. Wenn sie das Wachstum der Pflanzen beobachteten, Gemüse ernten oder mit dem Wechsel der Jahreszeiten Kälte und Hitze spürten, so würden sie auch ihre eigenen Gefühle wieder wahrnehmen lernen: «Patienten, die sich selbst kaum mehr spüren, kommen im Garten wieder mit dem Leben in Berührung.» Die Freude am Gedeihen der Pflanzen wirke nachhaltig auf die Kranken, ist Zurbrügg überzeugt.

Doch auch in der Psychiatrie fristet die Gartentherapie in der Schweiz ein Mauerblümchendasein. Daniel Hell, Chefarzt der Psychiatrischen Uniklinik Zürich, sagt zwar, dass Gartenarbeit und der Kontakt zur Natur für psychisch kranke Menschen wichtig sei. Doch die Gartentherapie gehöre nicht zum medizinischen Programm der Klinik. Über Erlebnisse im Garten würden die Patienten mit dem Gärtner oder allenfalls mit ihren Kontaktpersonen aus den Pflegeabteilungen reden.

Auch in anderen psychiatrischen Kliniken wie etwa dem Psychiatriezentrum Münsingen BE, der psychiatrischen Klinik in Winterthur oder dem Bruderholz im Kanton Baselland ist Gartenarbeit keine eigenständige Therapieform.

Der Deutsche Konrad Neuberger hat dafür wenig Verständnis. Ein grosser Wert der Gartenarbeit könne zwar sehr wohl im Moment der Beschäftigung liegen. Doch: «Wenn der Patient das, was er im Garten erlebt und praktiziert, nicht auf andere Bereiche des Lebens überträgt, ist es therapeutisch weniger wirksam.»

 

Entgiften

Entgiftungskur für Beete

Die Schweiz ist ein Land von Hobbygärtnern, der Schrebergarten gilt neuerdings sogar als schick. Doch gesund ist das selbstgezogene Gemüse oft nicht: Die Böden sind mit Schadstoffen belastet, Hausgärten überdüngt. Worauf man achten muss, damit der Garten zur giftfreien Zone wird.

Die amerikanische First Lady Michelle Obama tut es. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel liebt es. Und selbst die britische Popsängerin Kim Wilde und der Rockmusiker Chris von Rohr werden schwach, wenn es ums Wühlen in der Erde geht. Gärtnern hat nichts Spiessiges mehr. Ähnlich wie das Kochen ist es Teil des gehobenen Lifestyles geworden. Der Trendforscher Matthias Horx hat für die neue «Lust auf Grün», der rund 700’000 Hobbygärtnerinnen und -gärtner in der Schweiz frönen, den Begriff «Gourmet-Gardening» geprägt.

Sogar Schrebergärten sind wieder gefragt, vor allem bei jungen städtischen Familien, die ihren Sprösslingen ein Stück unverfälschte Natur bieten wollen. Doch so heil ist diese Welt gar nicht. Die Böden im Schweizer Siedlungsgebiet sind oft mit Schadstoffen belastet: mit Schwermetallen wie Blei, Kupfer, Zink und Kadmium sowie organischen Schadstoffen wie den sogenannten Polizyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK).

Schädliche Altlasten im Garten

«Besonders hoch sind die Belastungen entlang den Verkehrswegen, auf alten Deponien oder in Gebieten, wo früher in grösseren Mengen Klärschlamm, Kehrichtschlacke oder Asche ausgebracht wurde», sagt Roland von Arx von der Sektion Boden des Bundesamts für Umwelt (Bafu). «Von diesen Belastungen sind teilweise auch Nutzgärten betroffen.» Eine gesamtschweizerische Studie über Haus- und Familiengärten liegt nicht vor. Verschiedene Kantone haben jedoch Gartenböden systematisch untersucht und setzen die Vorgaben um, die das Bafu 2005 im Handbuch «Gefährdungsabschätzung und Massnahmen bei schadstoffbelasteten Böden» zusammengefasst hat.

Mit teilweise harten Folgen. In Luzern musste kürzlich ein Nutzungsverbot für drei Gartenparzellen im Pilotareal Sedel-West ausgesprochen werden. Auf den übrigen 25 Parzellen wurde der Prüfwert für Blei, Kupfer und PAK überschritten. Für 13 davon verfügte der Kanton, dass nur noch Gemüse mit schwacher Schwermetallaufnahme angepflanzt werden darf und Kinder nur noch auf dichtem Rasen spielen dürfen. «Es besteht die Gefahr, dass Kinder belastetes Bodenmaterial über den Mund aufnehmen», sagt David Widmer von der Abteilung Umwelt und Energie des Kantons Luzern. Ursache für den hohen Schadstoffgehalt dürfte die Lage am Rand der einstigen städtischen Kehrichtdeponie sein.

ANZEIGE:

Falsches Düngen ist pures Gift

Die Belastung durch Schwermetalle ist das eine, die Überdüngung und der Einsatz von Spritzmitteln das andere. Bioterra, die grösste Schweizer Organisation für biologischen Gartenbau, schätzt, dass vier von fünf Gärten überdüngt sind. «Hobbygärtner setzen deutlich mehr Spezialdünger ein als Profis – und oft auch die falschen Pflanzenschutzmittel», sagt Carlo Vercelli vom Gartenunternehmerverband Jardin Suisse.

Offenbar ist der Einsatz von Dünger auch eine Generationenfrage. «Viele ältere Hobbygärtner verstehen nicht, dass jetzt schlecht sein soll, was früher gängige Praxis war», sagt Walter Schaffner, Präsident des Schweizer Familiengärtner-Verbands. Ein Umdenken finde aber statt: «Je jünger die Leute, desto biologischer wird gegärtnert.»

Ein erster Schritt zum giftfreien Garten ist der Verzicht auf phosphorhaltigen Dünger. Auch von chemischen Mitteln sollte man die Finger lassen: Laut Hans Peter Althaus, Gartenberater bei Bioterra, sind sie «wie Fast Food für die Pflanzen: Diese werden träge und bilden kaum noch Wurzeln». Alternativen sind natürliche Düngemittel wie Hornspäne oder Urgesteinsmehl, mit der nötigen Zurückhaltung eingesetzt. Auch hier gilt die Devise «Weniger ist mehr»: «Komposterde ist ein hochkonzentriertes Material, das man gezielt ausbringen sollte. Zudem enthält das Ausgangsmaterial des Komposts oft ebenfalls Schadstoffe, die sich nicht abbauen lassen.»

Die Qualität des Komposts lässt sich mit dem «Kressetest» prüfen: Man füllt ein Glas zur Hälfte mit Kompost, ein zweites mit Gartenerde, sät in beiden Kressesamen aus und verschliesst sie mit dem Schraubdeckel. Entwickeln sich die Keimlinge in beiden Gläsern einwandfrei, enthält die Komposterde keine giftigen Stoffe.

Wer einem ausgelaugten Gartenboden eine sanfte Kur angedeihen lassen will, versucht es am besten mit Gründüngung: Statt den Boden brachliegen zu lassen, bepflanzt man ihn mit Grünzeug, das dem Boden Nährstoffe zuführt (Senf, Spinat, Ackerbohne).

Auch regelmässiges Lockern bringt Luft und Leben in den Boden. Im Frühling ist eine Tiefenlockerung mit der Grabgabel angebracht. Während der Pflanzzeit reicht eine oberflächliche Bearbeitung, etwa mit einer Gartenkralle, um eine feinkrümelige Struktur zu erreichen. Denn wenn man sich vor Augen führt, wie komplex der Boden aufgebaut ist und wie viele Kleinstlebewesen sich auf jedem Zentimeter tummeln – auf eine Handvoll Erde kommen mehr Organismen als Menschen auf unserem Planeten –, spricht vieles dafür, dieses Gleichgewicht nicht unnötig zu stören.

Bio braucht einen langen Atem

Wer punkto Gartenerde auf Nummer sicher gehen will, lässt alle paar Jahre eine Bodenanalyse durch ein Fachlabor durchführen und die Bodenart, den Gehalt an Hauptnährstoffen und den pH-Wert bestimmen. Letzterer spielt insofern eine Rolle, als Gemüse in Böden mit tiefem pH-Wert nur noch schlecht gedeiht und Schwermetalle in sauren Böden von den Pflanzen eher aufgenommen werden.

Angehende Biogärtner sollten sich zudem über eines im Klaren sein: Die Umstellung braucht Zeit. «Mit Hauruck-Aktionen bewirkt man im Garten gar nichts. Daraus ergeben sich nur weitere Probleme», sagt Bioterra-Fachmann Althaus.

Doch mit Geduld und einem langen Atem wird aus dem grünen Flecken auch ein gesunder Fleck Erde.

Giftfrei gärtnern: Tipps, Ratgeberliteratur und Adressen Düngen Sie so wenig wie möglich mit phosphorarmen, natürlichen Düngemitteln (kein Hühnermist) und Kompost. Klärschlamm und Asche gehören nicht in den Garten (Schwermetalle!).

Boden nicht brachliegen lassen. Gründüngung ansäen, Boden abdecken.
Pflanzenschutz, Schädlingsbekämpfung mit natürlichen Mitteln (Pflanzenbrühen, Urgesteinsmehl) sowie mit Mischkulturen. Chemische Präparate belasten die Umwelt.

Unkrautvertilgungsmittel (Herbizide) belasten den Boden und können ins Grundwasser gelangen. Gegen Unkraut hilft Jäten.

Schneckenzäune, Biokörner verwenden.

Bodenübersäuerung verhindern. In Böden mit einem pH-Wert unter 5,9 nehmen Pflanzen Schwermetalle leichter auf.

Pflanzen anbauen, die wenig Schadstoffe akkumulieren: Kürbis, Tomaten, Peperoni, Bohnen, Erbsen, Gurken, Zucchetti, Mais statt Salat, Blattgemüse, Sellerie, Lauch, Karotten.

Bodenschutz, biologisches Gärtnern, Kompost, Gärtnereien: www.naturnah.ch,www.biopflanzen.ch, www.biogarten.ch, www.kompost.ch, www.bioterra.ch

Gartenberatung von Bioterra: via E-Mail an gartenberatung@who-needs-spam.bioterra.ch oder Telefon 044 454 48 47 (Mo und Do, 16–18 Uhr; Stichwort «Beobachter» erwähnen)

Labors für Bodenanalysen: Liste unter www.art.admin.ch/dms_files/02511_de.pdf

Standardwerk: Marie-Luise Kreuter: «Der Biogarten»; BLV 2009, Fr. 49.90
Broschüre: «Familiengärten – naturnah gepflegt»; 8 Franken, zu bestellen über www.familiengaertner.ch

Handbuch: «Gefährdungsabschätzung und Massnahmen bei schadstoffbelasteten Böden»; herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt 2005, zu beziehen als Druckversion oder PDF-Dokument unter www.bafu.admin.ch («Publikationen»)